Bikini in Rimini (1968)

Aus: Maja Mores, Spitzen, Skunk und Hochzeitskleider

Ich fühle mich halb nackt und unbehaglich. Ich weiss nicht, ob das wirklich so toll aussieht an mir mit meinem Babyspeck und den kaum vorhandenen Brüsten. Doch tapfer trage ich mein blau-weiss-kariertes, dünnes, viel zu grosses Bikini am Strand in Rimini. Und meine Mutter erzählt jedem, der zuhören mag: «Jetzt schauen plötzlich alle meine Tochter an und nicht mehr mich.» Die Zuhörer stimmen ihr unsicher bei, denn das ist offensichtlich nicht richtig. Meine Mutter ist überall der Mittelpunkt und Gegenstand der Bewunderung.

Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben im Ausland, in Italien, in Rimini. Meine Mutter hat sich mit mir zwei Wochen Hotelplan-Ferien in Rimini geleistet, mit Nachtzug, Hotel und Halbpension. Eine wunderbare Sache, wir haben Spass, wenn auch meine Mutter oft über die Stränge schlägt. Sie kauft sich in der ersten Woche einen teuren Ring und wir haben plötzlich kein Geld mehr für Gelati und Cinema am Abend. Doch meine Mutter bittet die anderen Gäste in unserer kleinen Pension solange um ein Darlehen, bis ihr jemand 200 Franken vorschiesst. Verbittert schaufle ich mir beim Nachtessen Omeletten mit Kartoffelstock in den Mund. Nur ja keine Spaghetti und Lasagne und andere fremdländische Speisen! Oft bleibe ich am Nachmittag in unserem Zimmer und gehe nicht an den Stand, wo mich meine Mutter mit Massimo, Giovanni und Luigi verkuppeln will. Für mich ist offensichtlich, dass die jungen Männer ihr Interesse an der Tochter nur vorschieben, um mit der toll Italienisch sprechenden Mamma flirten zu können.

Doch es gibt auch schöne Momente. Jeden Abend nach dem Kartoffelstock flanieren wir die Promenade hinauf, schlecken Gelati (Nocciola) und schauen uns im Freilichtkino immer wieder «Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten» an. Ich verliebe mich nicht in Massimo oder Luigi, sondern in Terry Thomas, den alten Bösewicht mit der Zahnlücke im Film.

Ich lasse mein Portemonnaie mit meinem Feriengeld im Kino liegen und am nächsten Tag, als wir nachfragen, ist es natürlich weg. Unsere Badetücher werden gestohlen – ein Versicherungsfall, der meine Mutter noch lange in Atem halten wird (und ehrlich: Wer stiehlt nur alte, hässliche Badetücher wie unsere?). Und jeden Tag wage ich mich mehr an die Spaghetti und Tortellini, jeden Tag trage ich das Bikini mit mehr Selbstvertrauen und Stolz. Es ist der Beginn einer lebenslangen Liebe zu Bademode, zu Italien und zu italienischem Essen.

 
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