’s isch ned eso schlimm & Gott hat Humor

Aus: Antoinette Pfister-Troxler, Gestern – Heute

’s isch ned eso schlimm

Heisse 33 Grad draussen, im Wohnzimmer auch schon 26 Grad. Da käme doch jetzt ein Eiskaffee genau richtig. «Als würden Sie Ihre Füsse ins Meer vor der australischen Küste tauchen», steht auf der neuen Packung von Nespresso, und darum will ich heute zum ersten Mal «Flat White Over Ice» versuchen. Ich war zwar noch nie in Australien und schaffe es in meinem Alter auch nicht mehr dorthin, aber gerade deshalb reizt es mich, dieses Gefühl – halt jetzt zu Hause – zu erleben.

Eiswürfel ins hohe Glas, Milch aus dem Kühlschrank dazu und dann den sagenhaften Ristretto darüber. Eine ganz besondere Note soll etwas Karamellsirup bringen. Den hab ich aber nicht, vielleicht tun es ja ein Schuss Amaretto und etwas kanadischer Ahornsirup auch.

Mmmm, schmeckt wirklich gut! Den werde ich jetzt auf dem Balkon geniessen und aufs Meer hinausschauen. Meine Fantasie reicht nämlich aus, um auf dem Schulhausplatz einen Sandstrand zu sehen. Weiter draussen muss ja dann zwangsläufig das Meer kommen.

Auf dem Weg von der Küche durchs Wohnzimmer rutscht mir das Glas aus der Hand, fällt auf den Teppich und verteilt im Flug seinen gesamten Inhalt auf den Glastisch, den Blumentopf, das Sofa, auf die Kissen und auf die angefangene Häkelarbeit.

Innert Sekunden kommt mir der Spruch von Herrn Christian Salzmann, meinem Lieblingsmoderator bei SRF Musigwälle, in den Sinn. Er sagt spät abends zu seinen Zuhörerinnen und Zuhörern: «Sie chönd ned schlafe? Das isch ned eso schlimm. Losed sie öisi schöni Musig.» «’s isch ned eso schlimm» wurde bei uns zu einem Schlagwort, und statt leise zu fluchen oder zu jammern, leiere ich wie ein Mantra unzählige Male vor mich hin: «’s isch ned eso schlimm». Und dann mach ich mich halt ans Putzen.

Abends, wenn mein Mann nach Hause kommt und meint, in unserem Wohnzimmer rieche es aber komisch nach saurer Milch wie früher in der Milchhütte, werde ich ihn einfach an den Spruch erinnern.

Gott hat Humor

Als Achtzehnjährige verabredete ich mich mit einem verheirateten Mann zu einem Stelldichein im Tierhag, einem Bergrestaurant oberhalb unserem Berghaus Grossegg. Natürlich wusste ich, dass dies nicht recht war, aber die Aufmerksamkeit dieses viel älteren Mannes schmeichelte mir und gab mir etwas Selbstbewusstsein. Meine beiden jüngeren Schwestern hatten schon länger einen Freund, mit dem sie die Freizeit verbrachten. Nur ich, die Dicke, blieb stets allein zu Hause. Darum kam mir dieses Rendezvous gelegen. Das Haus hatte ich zur alleinigen Benützung, und während mich immer mehr Zweifel plagten, wollte ich es Gott, nach dem ich schon so lange auf der Suche war, überlassen, für mich zu entscheiden. Ich machte mich also an den steilen Aufstieg. Jetzt hiess es ganz besonders vorsichtig zu sein, denn ein Beinbruch oder verstauchter Fuss konnte in dem unwegsamen Gelände und alleine unterwegs gefährlich sein. Das war lange vor der Handy-Zeit. So setzte ich sorgfältig einen Fuss vor den anderen und kam langsam, aber sicher ans Ziel. Ich konnte bereits das Restaurant sehen, mich trennten nur noch ein kurzes gerades Wegstück und ein Kuhgatter davon. Beim Überklettern dieses Hindernisses hörte ich plötzlich den Ton von reissendem Stoff, und die Naht meiner Hose platzte über meinem ganzen dicken Hintern auf. Von sexy Unterwäsche war damals noch keine Rede, meine währschafte weisse Unterhose kam in ihrer ganzen Pracht zum Vorschein. Ich bekam so einen Lachanfall, dass ich mich erst ins Gras setzen musste, bevor ich mich dann laut singend und Gott dankend wieder auf den Rückweg machte.

 
 
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