Fischer und Wäscherinnen

Aus: Fatima Meili Martins, Fatia Do Mar

Der Alltag der Fischer

Die am weitesten zurückliegenden Erinnerungen, die ich an Búzios habe, sind die menschenleeren Strände. Es gab nur die Fischerboote, das Meer, das Land und den atlantischen Regenwald, der grün war und sich um alle Hügel schlang. Das war auch schon alles, aber es war wunderschön. Mir fehlte nichts, weil ich nichts anderes kannte. Es gab keinerlei Läden, keine Bar, geschweige denn Elektrizität oder fliessendes Wasser. Die Häuser waren oft nur aus Backstein, verputzt oder lediglich mit Zement bespritzt. Das Geld war knapp, und ein Teil der Männer arbeitete auf hoher See mit Schleppnetzen oder auch nur mit der Angel für Fischereiunternehmen in Rio de Janeiro. Sie kehrten alle zwei Wochen für ein paar Tage zu ihren Familien zurück und brachten von dort Kisten und Säcke mit Waren mit.

Die einheimischen Fischer, die in Búzios blieben, fischten auf sehr traditionelle und handwerkliche Weise. Sie hatten keine Motorboote, sondern mächtige Kanus, die manchmal sechs Ruderer benötigten. Zum Fischen bedurfte es grosser Kenntnisse des Meeres, um aus der Ferne die Fischschwärme unter der Wasseroberfläche zu erkennen und den richtigen Moment zu erwischen, in dem das Netz ausgeworfen werden musste. Heutzutage macht das der Radar. Das Netz war 400 Meter lang mit 100 Meter langen Tauen auf beiden Seiten. Ein Ende wurde am Strand belassen und von einige Leuten festgehalten. Mit dem Kanu wurde das Netz im Halbkreis ins Wasser gelassen, bis nach etwa 400 Metern der Strand wieder erreicht wurde.

Mein Onkel Benoni war der Obmann einer Gruppe von Fischern, den Genossen. Wenn es Zeit zum Fischen war, kamen nach und nach die Anwohnerinnen und Anwohner, die in Strandnähe wohnten, um beim Ziehen des Netzes zu helfen. Dabei zogen sie, immer im selben Rhythmus, an den Enden der beiden Taue, darauf achtend, dass sie die gleiche Distanz zum Zentrum des Netzes einhalten konnten. Anhand der Anzahl der Bojen konnten sie ausmachen, in welchem Abschnitt des Netzes sie sich befanden. Die grösste Boje markierte dessen Mittelpunkt. So zog sich der Kreis zu, bis der Hauptfangsack und mit ihm der ganze Fang auf dem Strand lag. Ich erinnere mich, dass manchmal zwei bis drei Tonnen Fisch gefangen wurden, manchmal auch nichts. Einige fischten auch mit Boot und Leine. Mit etwas Glück konnten sie riesige Fische bis zu 100 Kilo erbeuten.

Die Netze wurden von den Frauen von Búzios hergestellt. Sie sassen auf den Veranden, mehrere von ihnen zusammen, und nutzten die Gelegenheit, sich zu unterhalten und Ideen auszutauschen. Dort blieben sie den ganzen Nachmittag, bis es Zeit war, das Abendessen zuzubereiten. Die Bezahlung erfolgte nach Armlängen. Eine Armlänge, gemessen von der Nase bis zu den Fingerspitzen, entsprach etwa einem Meter. Bei den Frauen habe auch ich dieses Handwerk erlernt, nicht so geschickt und flink wie meine Mutter, aber immerhin.


Das Ritual der Wäscherinnen

Einmal pro Woche kamen wir zusammen, um die Wäsche zu waschen, was als Mädchenarbeit betrachtet wurde. Normalerweise waren wir fünf oder sechs Mädchen zwischen zehn und elf Jahren. Wir brachen sehr früh von zu Hause auf und gingen etwa 500 Meter bis zum Poço da Bomba. Jede von uns trug ein mit Kleidern und Stoffen gefülltes Aluminiumbecken auf dem Kopf. Dazu nahmen wir ein langes Tuch, rollten daraus eine Wurst und formten einen Ring, um den Kopf zu polstern.

Das Waschen war ein Ritual. Zuerst trennten wir die Kleider nach Farben, beginnend mit den weissen, die mit Seifenpulver und Javelwasser eingeweicht wurden. In der Zwischenzeit seiften wir die dunklen Wäschestücke ein und schrubbten sie kräftig. Wir sprachen uns alle ab, um den gleichen Rhythmus einzuhalten. Das Geräusch, das die Hände machen, wenn die Kleidung voller Schaum ist, hat sich tief in meine Erinnerung eingegraben.

Nach zweimaligem Einseifen spülten wir alles noch zweimal mit Wasser. Danach legten wir die saubere Wäsche auf den Pitanga-Büschen zum Trocken aus. Wenn die Pitangas reif waren, liessen wir uns diese Früchte schmecken, süss, sauer und schmackhaft. In der Zwischenzeit waren auch die weissen Kleider bereit zum Schrubben, und danach wurden sie auf dem Gras zum Bleichen an der Sonne ausgebreitet. Wir liessen sie etwa eine Stunde lang liegen, damit sie schön weiss wurden. Von Zeit zu Zeit bespritzten wir sie mit ein wenig Wasser, damit sie nicht austrockneten.

Zeit für das Mittagessen. Jemand aus der Familie brachte uns das Essen. Wir sassen im Kreis, jede öffnete ihren eigenen Essensbehälter und gemeinsam suchten wir aus, von welchem wir als erstes essen würden, wobei wir uns das, was uns am leckersten erschien, immer für das Ende aufsparten. Wir assen mit der Hand aus dem gleichen Gefäss, formten Bällchen und leckten uns manchmal sogar die Finger ab. Die Speisen, die aus Haushaltungen kamen, von denen wir wussten, dass sie nicht sehr sauber waren, hoben wir ebenfalls bis zum Schluss auf, sodass wir dann sagen konnten, dass wir bereits satt gewesen seien.

Am Nachmittag spülten wir die weissen Kleider mit Wasser und Indigo aus, um sie noch weisser zu machen, hängten sie auf und hatten dann ein bisschen Zeit, Verstecken zu spielen. Das war ein riesiges Vergnügen. Anschliessend ruhten wir uns aus und schon war es Zeit, die Wäsche einzusammeln, alles zu falten und in die Becken zu legen. Wenn wir bei Einbruch der Dunkelheit nach Hause zurückkehrten, waren wir erschöpft von Arbeit, Sonne und Hitze. Am nächsten Tag musste die Wäsche noch gebügelt werden. Das Bügeleisen wurde mit Kohle erhitzt und wir konnten auch diese Aufgabe sehr gut erledigen, obwohl wir noch Kinder waren.

 
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