Das Buech isch gschrybe wie mir de Schnabel gwachse isch

Erfahrungsbericht von Willi Werren

In der Berner Frühjahrsrunde 2020 habe ich bereits mein zweites Buch geschrieben. Es sollte diesmal auf gar keinen Fall wieder eine stark biografisch geprägte «Obduktion» werden. Diese «Sezierarbeit» hatte ich mir im ersten Unik-Buch 2017 angetan und mich dabei mit ein paar nicht nur angenehmen «Filet-Erinnerungen» zu meinem 70. Geburtstag beschenkt.

Jetzt bitte, bitte etwas lockerer! Aber gleich schon eine erste Schlussfolgerung dazu vorweg: Wenn du schreibst und was auch immer du schreibst – dein «Rucksack» schreibt mit!

Beim Aufräumen tauchte ein kleines Geschichtenbüchlein wieder auf: «Favole al telefono» von Gianni Rodari. Daraus hatte ich meinem Sohn Gute-Nacht-Geschichten simultan übersetzt/erzählt. Als im Tessin Geborener war meine erste Sprache Italienisch, genauer gesagt Tessiner Mundart. Jetzt, da meine Enkelkinder das damalige Alter meines Sohnes erreicht haben, könnte ich diese Geschichten doch nun auch den Enkeltöchtern erzählen? Und vielleicht auch neue, zeitgemässe selbst erfinden, in Mundart und zum Vorlesen?

Hinzu kam, dass vor einiger Zeit die Älteste (6 Jahre alt) grinsend zu mir und zu meinem hier in Bern aufgewachsenen und lebenden Sohn sagte: «De Nonno hät e Züri-Schnörre!» Damit war der Titel meines zweiten Buches gesetzt. Und auch die Sprache, nämlich Mundart. Und welche ist das?

Ich bin tatsächlich ab dem 5. Lebensjahr in Zürich-Albisrieden aufgewachsen und habe dort auch bis fast zu meinem 30. gelebt. Als Heimweh-Tessiner mit unverkennbarer Züri-Schnörre lebe ich nun schon seit über 40 Jahren in Bern.  Aber die prägende Mundart meiner Kindheit in Zürich ist trotz einiger mittlerweile einverleibter Bärner Brocken haften geblieben. Beim Schreiben habe ich – als Nobody im Mundart-Texten – dann erleichtert festgestellt, dass es eine «rassenreine» Mundart gar nicht gibt. Zum Glück! «Das Buech isch gschrybe wie mir de Schnabel gwachse isch», steht denn auch im Vorwort.

Die Berner Frühjahrsrunde 2020 begann am 6. Januar und hätte nach 17 Wochen mit einer Abschlussveranstaltung am 30. April enden sollen. Infolge des Corona-Lockdowns am 13. März mussten die zweite Netzwerkveranstaltung und der Abschlussanlass leider abgesagt werden. Doch mit eindrücklichen, didaktisch sehr gut gestalteten Videos zur zweiten Etappe «Geschichten Sortieren» und zur dritten Etappe «Buch Gestalten» gelang es dem Team der Edition Unik auch trotz Distanz sehr gut, uns in der App in den weiteren Arbeiten zu unterstützen und schliesslich zu einem erfolgreichen Abschluss des Buches zu führen. Natürlich hat der coronabedingt fehlende, persönliche Austausch schon etwas gefehlt. Doch der mit der Edition Unik App über 17 Wochen unterstützte und offen etappierte Schreibprozess hat mich trotzdem auch beim zweiten Buch überzeugt.

Mittlerweile ist die kleine Geschichtensammlung bei den Enkeltöchtern angekommen. Die Geschichten haben einen persönlichen Touch – der eingangs erwähnte «Rucksack» lässt sich nicht leugnen. Die Enkelinnen und der Nonno kommen darin natürlich als Hauptdarsteller/-innen vor. Ihre metamorphen Purzelbäume und Verstrickungen beleben ungewohnte, aber auch anregende Phantasiereisen. So zum Beispiel in einer Geschichte, in der der Nonno beim Aufstehen im Badezimmer in den Spiegel schaut und mit Schrecken feststellt, dass seine Nase fehlt: «Wo zum Tüüfel isch jetzt mini Nase hi?»

Die ersten Erzählrunden habe ich überstanden. Das Interesse ist geweckt. «Nonno, verzellsch üs us dym Buech?», fragen sie manchmal, wenn ich auf Besuch bin.

Noch können sie nicht lesen. Doch die Zeit vergeht. Werden sie später selber daraus lesen, vielleicht ihren Kindern und Grosskindern vorlesen – aus einem Buch, das ihr Nonno geschrieben hat? Wer weiss? Bücher sind ja eine Art «Lebensmittel» ohne Verfallsdatum.

Willi Werren schrieb sein zweites Buch «De Nonno hät e Züri Schnörre» in der Frühjahrsrunde 2020 in Bern.

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